Vom Steinbruch zum Lawinenhang: Die Geschichte der berühmten Valascia in Ambri

Vom Steinbruch zum Lawinenhang: Die Geschichte der berühmten Valascia in Ambri

Während das neue Stadion gebaut wird, schwelgen die Ambrì-Fans in Erinnerung an die Valascia. Jahrelang haben die Spieler unter freiem Himmel gespielt, bis 16 Jahre später das Eisfeld überdacht wurde.

Im April 1975 beschädigte eine Lawine das Eisfeld der Valascia, damals noch unter dem Namen «Pista di Cava», welche bereits 16 Jahre die Spielstätte des HC Ambrì-Piotta war. «Cava» bedeutet übersetzt Steinbruch, und «Valascia» heisst auf Deutsch Lawinenhang. Vielleicht gab es nach der Lawine im Jahr 1975 die bedeutende Namensänderung von «Pista di Cava» zur «Pista di Valascia». So wurde das Stadion in Ambrì symbolisch vom Steinbruch zum Lawinenhang unbenannt.

Die «Pista di Cava» war viel kleiner als die Valascia. Das Publikum sass und stand auf den jeweiligen Gerüsten aus Stahlrohren, den Holzrampen und den Tribünen aus Holz. Je mehr Fans die Spiele besuchten, desto mehr Stahlrohrgerüste mussten her, weiss Gerhard Epp, der schon über 55 Jahre zu den treuen Tifosi gehört. «Einmal waren 12 000 Zuschauerinnen und Zuschauer an einem Spiel. Es sind so viele dort gestanden, dass man auf keine Seite mehr fallen konnte.»

Zum Schutz und zur Arbeitsverringerung

Durch die Lawinenniedergänge wurden oberhalb der «Curva Sud» Schutzdämme errichtet. Aber das Dach wurde nicht wegen der Lawinengefahr, sondern wegen der ständigen Schneeräumung des Eisfelds gebaut. Damals gab es im Vergleich zu heute viel Schnee, was bei einem offenen Eisfeld zu mehreren Unterbrüchen des Spiels führte. Während den Pausen oder teils mitten im Spiel mussten die Eishockeyspieler dem Eismeister jeweils beim Schneeräumen helfen, weil dieser im Schnee der Leventina beinahe versank. Einer, der auch beim Schneeräumen helfen musste, war der damalige Spieler Kuki Zamberlani.

«Es war wunderschön zu Spielen mit den schneebedeckten Bergen im Hintergrund.

Kuki Zamberlani

Dort lernte ich auf Eis zu spielen, welches durch Regen beschädigt oder durch Schnee verhindert wurde.» Da die Spiele jeweils für längere Zeit unterbrochen werden mussten und das Spiel bis spät in die Nacht andauerte, entschied man, die Valascia zu überdachen. Auch gab es damals immer mehr überdachte Eishallen in der Schweiz. «Zu jener Zeit wurde auch in Mezzovico eine Eishalle gebaut. Die brach jedoch etwa zwei Jahre später aufgrund des starken Schneefalls zusammen. Das gab auch ein mulmiges Gefühl in der Leventina», sagt Gerhard Epp.

Im Eishockeystadion Valascia fahren einige Spieler rum. Das Bild ist schwarz weiss und schon einige Jahre alt.
Die Valascia war für viele Jahrzehnte in Gebrauch.
Bild: zvg
Bauliche Fakten und Probleme

Am 7. Juli 1979 stand im «Urner Wochenblatt»: «Ambrì’s Valascia-Dach vor der Vollendung». Die Valascia wurde mit einem Holzkonstrukt von zwölf Trägern mit den Massen 62,00 mal 1,80 mal 0,30 Meter bedeckt. «Einige dieser Holzträger für das Stadion wurden auch gestohlen», erzählt Gerhard Epp mit einem Schmunzeln. Trotz der gestohlenen Holzträger wurde das Stadion 42 Jahre nach der Gründung des HCAP überdacht. Dies war ein grosser Schritt in der Geschichte des Klubs. Neben dem Bau des Dachs unternahmen die Leventiner noch andere Bauarbeiten.

So erneuerten sie unter anderem das Tribünenrestaurant, verbesserten das Pressebüro sowie andere Anlagen. Die Bauarbeiten ergaben einen Mehrwert von 1200 Tribünensitzplätzen, sodass die Valascia ab der Saison 1979/80 insgesamt 7000 Steh- und Sitzplätze anbieten konnte. Kuki Zamberlani spielte in dieser Zeit beim HCAP und kann sich noch genau erinnern. «Ich habe es hautnah miterlebt, als ich für den Abbau der alten Tribüne angeheuert wurde.»

Nebel und «Gux» führten zu Spielunterbrüchen

Das neue Dach hatte aber auch Nachteile. An starken Wintertagen musste man einige Hürden meistern. So schneite es nicht mehr vom Himmel aufs Eis, sondern es blies den Schnee durch die Öffnungen an den Seiten. «Es hat immer noch ‹innägguxet›, aber nie mehr so viel wie früher ohne Dach», sagt der mittlerweile pensionierte Ambrì-Fan Gerhard Epp.

Auch zufrieden mit dem neuen Dach war Kuki Zamberlani. «Die Abdeckung hat die Valascia nicht viel verändert, jedoch konnte man dann auch bei Regen und Schnee trainieren.» Das Problem mit dem Reinschneien konnten die Leventiner damals mit einem Netz auf beiden Seiten mehrheitlich lösen. Doch durch diese Isolation gab es immer mehr Feuchtigkeit in der Luft, was zu Nebel führte.

Die Spiele mussten teils unterbrochen werden, da man nichts mehr sah, so Gerhard Epp. Um dieses Problem längerfristig lösen zu können, wurden Ventilatoren an den Seiten der «Curva Sud» und beim Eingang der Nordseite positioniert. Diese Ventilatoren waren jedoch zu schwach, um den ganzen Nebel im Stadion zu vertreiben.

Die baulichen Änderungen kosteten den HCAP viel Geld und brachten immense Schulden mit sich. Doch dank der eingebauten Zivilschutzanlage konnte man sich den ganzen Umbau leisten, so Gerhard Epp. Der damalige Präsident Numa Celio richtete sich an die Fans und bat um finanzielle Unterstützung. Damals erhoffte man sich mit der gedeckten Eisbahn regelmässig guten bis sehr guten Besuch, in der Hoffnung, die Ausgaben der Renovierung decken zu können.

Geplant war nicht nur, dass der tschechoslowakische Star der Mannschaft, Rudolf Tajcnár, die Leute ins Stadion lockte, sondern dass auch die neue Überdachung Anklang fand. Das Dach wurde anlässlich des Derbys vom 22. September 1979 eingeweiht.

Die Zeit ist gekommen

Seit der Überdachung konnte der HCAP weitere 42 Jahre in der Valascia spielen. In den letzten Jahren liess das Dach nach, und teilweise musste ein Kessel während des Spiels das tropfende Wasser von oben einfangen. Bis auf die Wassertropfen und die eisige Kälte blieben die Besucherinnen und Besucher sowie Spieler unversehrt.

Auch die Steine und der Schnee der Lawinen blieben während der letzten Jahrzehnte aus. Doch von Jahr zu Jahr blickte auch die Liga kritischer auf das Stadion, sodass es nach einem halben Jahrhundert Zeit ist für etwas Neues. Am 5. April 2021 wurde nach 62 Jahren das letzte Spiel in dem altehrwürdigen Stadion ausgetragen, bevor die Mannschaft in die Nuovo Valascia zieht. «Das neue Stadion wird eine andere Emotion sein, aber nicht die gleiche wie beim Spielen in der unbedeckten oder bedeckten Valascia», so Kuki Zamberlani.