Zwischen Kunstraub, Mord und Ultras: Ex-Stapo-Sprecher Marco Cortesi plaudert aus dem Nähkästchen

Eine Hand hält ein Pyro, der brennt und leuchtet.

Zwischen Kunstraub, Mord und Ultras: Ex-Stapo-Sprecher Marco Cortesi plaudert aus dem Nähkästchen

Der ehemalige Sprecher der Stadtpolizei Zürich sprach im Zürcher Landesmuseum über seine spannendsten Fälle. Einer davon lässt ihn bis heute nicht mehr los.

Hell beleuchtet liegt eine grosse, verschlossene Holzkiste in einer meterhohen Vitrine des Zürcher Landesmuseums. Die Metallecken sind rostig und das Holz abgewetzt. Das schummrige Licht des Raums verleiht der Szene etwas Mysteriöses.

Ein älterer Herr steht davor und fragt in einem sympathischen Bündnerdeutsch: «Kennt jemand diese Kiste?» Schnell äussern sich die älteren Damen in der vorderen Reihe: «Das ist eine der Kisten vom Fraumünster-Postraub!» Genau, ist die Antwort. Der Herr mit dem Bündnerdialekt ist Marco Cortesi. Der ehemalige Mediensprecher der Stadtpolizei Zürich hat beim Fraumünster-Postraub von 1994 seine erste Fahndung erlebt, verrät er. Diese und weiter Anekdoten erzählte er am Donnerstagabend während einer Führung der Ausstellung «Einfach Zürich».

Zwischen Broschen und Baretten

«Damals wusste ich gar nicht, dass die Polizei eine Medienstelle hatte», witzelte Cortesi. Obwohl er den Job ursprünglich gar nicht machen wollte, hatte er ihn während fast 30 Jahren ausgeübt. Rund um ihn waren am Donnerstagabend aber nicht etwa Dutzende Journalistinnen und Journalisten, wie er es sich bis zu seiner Pension im Jahr 2021 gewöhnt war. Nein, es waren chic gekleidete Grossmütter mit Broschen an ihren Blusen, ältere Herren in kariertem Hemd und Barett auf dem Haupt sowie Personen, die seine ersten Fälle noch von der Schulbank aus erlebt hatten. Unter Cortesis rund 30 Zuhörern waren aber auch jüngere Menschen. Denn auch sie interessierten sich für die dunklen Seiten der Stadt ­Zürich.

Dieses Interesse stillte der Bündner gleich am Anfang des Anlasses, als er vom Sonntag, dem 10. Februar 2008, zu erzählen begann. Damals spielte sich der bekannteste Fall ab, mit dem sich Cortesi beschäftigt hatte: Aus dem Ausstellungshaus der Sammlung Bührle wurden vier Kunstgemälde im Wert von 180 Millionen Franken gestohlen. Cortesi habe den damaligen Kurator nach dem Wert der entwendeten Objekte gefragt, sagte er am Vortrag. «Als er mir den Wert der Bilder nannte, habe ich gemerkt, dass ich von Kunst nichts verstehe.» Obwohl einiges in der Ermittlung schiefgegangen sei, wie er hinzufügte, hätten am Schluss die Täter und Bilder dennoch gefunden werden können.

Zusammentreffen mit Fussballfans

In der Vitrine der Ausstellung ist neben der Postkiste des Frauenmünster-Raubs ein Fussball platziert. Auch in diesem Feld hatte Cortesi eine Geschichte zu erzählen: «Die Fussballwelt ist eine andere Welt», sagte er. Er habe dies selbst zu spüren bekommen. Nach einem Spiel sei er mit einem Tram allein nach Hause gefahren, wo er einigen Fussballfans begegnet sei, die ihn erkannt hätten. Daraufhin habe er einen speziellen Notfallknopf gedrückt. Diesen habe er immer dabei gehabt. Und schon bald seien mehrere Streifenwagen aufgefahren. Die Polizei habe dann alle Passagiere aus dem Tram gewiesen. Darüber, was danach mit den Fussballfans passiert war, verlor Cortesi kein Wort. Dafür aber berichtete er, was ihm selbst widerfahren sei: Er habe nämlich eine Rüge vom Polizeikommandanten erhalten. Und die Weisung, dass er ab sofort bei solchen Anlässen nicht mehr allein unterwegs sein ­dürfe. Cortesi zuckte mit seinen Schultern und sagte: «Seit diesem Vorfall hatte ich zwei Zündhölzli, die zu mir schauten.»

Schliesslich berichtete Cortesi über einen Fall, den ihn noch heute beschäftige: Im Herbst 2013 sei es zu einem tödlichen Unfall bei der Unterführung Bahnhofquai gekommen. Ein Velofahrer sei von einem Lastwagen erfasst worden. Und da sich der Unfallort in der Nähe seines Büros befunden habe, sei er selbst ausgerückt. 

Leider habe ihn am Unfallort ein schlimmes Bild erwartet. Das Opfer sei total «zermürselt» gewesen. Und als die Rettungssanitäterin kam, habe er auch noch gemerkt, dass etwas nicht stimme, sagte er nachdenklich und atmete tief ein. «Die Sanitäterin war die Partnerin des Verunglückten.» An diesem Punkt seiner Erzählung wurden die Zuhörer plötzlich still. Und damit war auch das Schlusswort von Cortesis Erzählung gesprochen.