
Darum boomt der Schwingsport im Baselbiet
In Ettingen haben sich am Samstag die Bösen und Starken gemessen. Seit dem Esaf im vergangenen Sommer war es das grösste Schwingfest im Baselbiet. Auf den Spuren des Schwingbooms in der Region.
Da ist er wieder. Der Duft von Sägemehl in der Luft. Zuletzt war es vergangenen August im Baselbiet zu riechen, beim Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (Esaf) in Pratteln. Nun steigt das nächste grosse Schwingfest in der Region – das Basellandschaftliche Kantonalschwingfest in Ettingen.
Um sieben Uhr in der Früh warten die Ersten am Basler Bahnhof auf das 10er-Tram nach Ettingen. Mit Edelweisshemd und Rucksack stehen sie bereit für einen weiteren «Hoselupf». Im Tram ist ein Gesprächsthema nicht zu überhören: das letztjährige «Eidgenössische» in Pratteln. So eine grosse Arena für drei Tage aufzustellen, findet ein älterer Herr «ökologisch Blödsinn». Trotzdem ziehen sie insgesamt ein positives Fazit.

Bild: Juri Junkov

Bild: Juri Junkov
Die Gäste schwelgen in Erinnerungen an Pratteln
In Ettingen angekommen, sind weitere Reminiszenzen an das Schwingfest der Superlative vom letzten Sommer sichtbar. Auf den Zwilchhosen ist das grüne Eichenblatt, das Logo des Esaf, aufgenäht. Auch auf den Hüten im Publikum ist dieses nicht zu übersehen. Alle schwelgen gemeinsam in Erinnerungen.
Dass die Baselbieterinnen und Baselbieter im Schwingfieber sind, ist offensichtlich. Bereits vor zwei Wochen war die Zuschauertribüne gemäss den Organisatoren ausverkauft. Überhaupt ist erstmals eine solch grosse Bühne an einem «Kantonalen» im Baselbiet aufgestellt worden.
Wenig überraschend ist sie pünktlich zum ersten Gang bereits zu über zwei Dritteln besetzt. Spätestens als die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolken drücken, füllt sich die Kulisse mit 2700 Fans um die fünf Sägemehlkreise. «Die Nachfrage war dieses Jahr grösser», bestätigt Stefan Aebi, Präsident des organisierenden Schwingclubs Binningen. An Auffahrt kommen die Schwingfans beim Baselstädtischen Schwingertag weiter in Genuss des beliebten Nationalsports.

Bild: Juri Junkov

Bild: Juri Junkov
Käse und Wurst zum «Znüni»
Während sich die Schwinger an den Hosen greifen, verpflegen sich die ersten Personen beim «Znüni». Sie nehmen ihr Holzbrett hervor und schneiden Käse und Wurst zurecht, wie sich das an einem Schwingfest gehört. Andere bevorzugen um zehn Uhr die erste Bratwurst von der Feuerschale.
Insgesamt 22 Schwinger treten unter dem Baselbieter Wappen an. Unter ihnen die zwei wohl bekanntesten Schwinger aus der Region: Adrian Odermatt aus Liesberg und der Schönenbucher Lars Voggensperger. Die beiden Neu-Eidgenossen vertreten den Schwingclub Binningen.
Seit dem eidgenössischen Kranz von Damian Zurfluh mussten die Baselbieter eine 15-jährige Durststrecke hinnehmen. Die Binninger warteten gar seit 1977 auf einen eidgenössischen Kranz. In Pratteln wurde die lange Wartezeit mit Odermatt und Voggensperger beendet.
Die beiden Einheimischen stehen mit ihren 22 Jahren am Anfang ihrer Karriere. Dass sie bereits im jungen Alter zu den «Bösen» gehörten, motiviere die Jungschwinger zusätzlich, sagt Patrick Waldner, Präsident des Basellandschaftlichen Kantonal-Schwingerverbands, und fügt hinzu: «Im Baselbiet kann man alles erreichen.»
Die Helden aus der Region
Odermatt und Voggensperger sind die Schwingerhelden des Baselbiets. Mit glänzenden Augen warten die Kinder geduldig mit Filzstift neben dem Zwilchhosenständer. Kaum steigen die Lokalmatadoren aus dem Sägemehlring, wollen alle ein Autogramm. Dass im Baselbiet nun mehr Junge in die Zwilchhosen steigen, sei auch den beiden Schwingern zu verdanken, sagt Aebi.

Bild: Juri Junkov
Wenn die Tribüne an diesem Tag wieder mal bebt und die Kinderaugen grösser werden, hat das einen einfachen Grund: Einer der Baselbieter bodigt einen auswärtigen Schwinger. Dass Odermatt nach fünf Gängen im Schlussgang steht, ist bei seiner Verfassung wenig verwunderlich.
Während der entscheidenden Minuten im Ring ist die Spannung beim Schlussgang nicht zu überbieten. Zuerst herrscht eine Totenstille, Sekunden später übertönen die «Odi»-Rufe alles. Am Schluss muss sich der Lokalmatador aber geschlagen geben.

Bild: Juri Junkov

Bild: Juri Junkov
Rund 30 Prozent mehr Jungschwinger
Während am Samstag die Erwachsenen in die Zwilchhosen steigen, ist am Sonntag der Nachwuchs dran. Im vergangenen Jahr waren es noch 180 Teilnehmer, dieses Jahr sind es hundert Jungschwinger mehr. «Im Baselbiet haben wir 20 bis 30 Prozent mehr Jungschwinger», sagt Waldner. Das sind etwa 40 Kinder. Und die Schwingkeller seien für künftige Schwinger jederzeit offen.
Der Boom setzte aber nicht erst am Montag nach dem «Eidgenössischen» ein. Wie Waldner weiter betont, seien bereits im Jahr des Esaf die Eintritte in die sieben Schwingclubs im Baselbiet gestiegen. Sie hätten den Schülerinnen und Schülern den Schwingsport nähergebracht und ihnen gezeigt, was es bedeute, die Zwilchhosen anzuziehen. Es scheint, als wäre der Schwingsport definitiv im Baselbiet angekommen.
Hinweis: Dieser Artikel erschien am 7. Mai 2023 in der bz Basel.